Interview IX
12/Jan/2017 16:23 Gespeichert in:Doc Mozart
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Zu Doc Mozart ∞ Teil 8
Eine schwedische ISAF-Einheit patrouillierte mit afghanischen Helfern. Plötzlich lagen die beiden Gruppen über mehrere Stunden unter dem Beschuss der Taliban. Abholen mit Hilfe eines Helicopters war nicht möglich -
Aufzeichnung aus 2010
∞ Schwedische Einheit unter Beschuss
Teil 9
Hally, so stellte sich der Brite uns vor, fiel dem Offizier sofort ins Wort und erklärte lapidar dass ich "meine Uniform" besuchen wolle. Erst begriff ich nicht, was es damit auf sich hätte, doch schnell wurde mir klar, dass Hally meinte, ich würde meinen Ehemann oder Freund, der hier stationiert sei, besuchen wollen.
Dem stimmte ich natürlich mit einem kurzen Nicken zu, denn ich ahnte, dass wenn wir uns als Team outen würden, wir keinerlei Informationen mehr erhielten.
Frau ist ja flexibel in manchen Situationen!
Wer er sei, welcher Einheit er angehören würde, all diese Fragen trommelten auf mich von dem Offizier ein. In meinem Hirn suchte ich verzweifelt nach irgendeinem Soldaten und ich war heilfroh, als mir mein Tonmann die Antworten abnahm.
"Er ist aus dem Norden. Doc Mozart sein Name, wenn das dir was sagt."
Nach dieser Antwort sah der Offizier aus, als ob er ein französisches Stangenbaquette quer im Mund stecken hätte. Danach schüttete er sich vor lachen aus und schaute dabei in meine Richtung.
"Du? Du und dieser Depp?"
Sein Gelächter übertönte die ganzen Geräusche der Bar. Er stand auf, deutete auf mich und schrie in den Raum:
"Die sucht den Schwedendepp!"
Die ganze Bar krümmte sich vor Lachen. In mir stieg Wut hoch und zugleich schämte ich mich zutiefst. Mein Sitznachbar, Hally, der Brite, legte fast väterlich seine Hand auf meinen Unterarm und flüsterte mir ins Ohr, dass ich es mir nicht so zu Herzen nehmen sollte.
Meine Gabel stocherte lustlos zwischen den Salatblättern herum.
"Jede Armee dieser Welt bildet Männer aus, die.... " Der Colamann stockte plötzlich mitten in seinem Satz und ich sah ihn fragend an. Dabei schossen mir die Gedanken im Kopf herum, dass es Soldaten gibt, so wie Doc Mozart oder auch welche, die Gehörlos sind. Die Gehörlosen sind zum Beispiel prädestiniert dazu, Nahkämpfe bei hoch brisanten Einsätzen zu absolvieren. Mann gegen Mann. Denn sie hören den Genickbruch am Gegner nicht wenn sie ihn ausschalten müssen und haben daher anschliessend weniger psychische Probleme.
Der Colamann baute sich noch mehr auf und brüllte inbrünstig in die Bar:
"Gebrochen werden sie alle. Früher oder später. Sie haben alle einen Eid geschworen und müssen uns gehorchen! Uns!! Versteht Ihr?"
Mir blieb regelrecht mein Salatblatt, das ich soeben in den Mund geschoben hatte, im Hals stecken. Der Offizier verliess endgültig unseren Platz und wankte Richtung Bar.
"Sie brechen sie nach allen Regeln der Künste oder die Ereignisse da draussen brechen ihr Inneres." Flüsterte mehr oder minder Hally zu uns. Mein Tonmann hörte Hally sehr genau zu und die beiden Männer tauschten sich nun intensiv aus.
"Wenn ich das richtig verstehe, so sucht die Armee für Spezialeinsätze gezielt Soldaten dafür aus? Ich meine damit Soldaten, die anders ticken."
"Ja. Doc als Beispiel ist ein exzellentes Beispiel dafür. Der läuft wie ein Schweizer Uhrwerk. Du sagst ihm etwas und er funktioniert." Nach einer kurzen Pause sagte Hally weiter: "Aber so mancher in den Führungsetagen hat die Brillanz von ihm noch nicht entdeckt. Er knockt sie alle aus. Er führt sie an der Nase herum. Unglaublich! Er hintergeht sie und hat quasi eine komplette Einheit hinter sich, die ihn als ihren Boss ansehen. So ist es möglich Dinge hier vor Ort zu tun, die nie möglich wären!"
"Das ist aber doch moderne Versklavung wenn die Befehlshaber so mit den Menschen umgehen."
Ein Niederländer sass plötzlich bei uns. Vorher war er am Nebentisch und scheinbar belauschte er unser Gespräch. Maarten erweiterte das Thema.
Ich habe das auch schon festgestellt. Auch wenn du verheiratet bist und Kinder hast, so wie ich. Meine Frau profitiert doch auch von meinem Job. Oki, sie hat ihr eigenes Leben und ich weiss, dass ich mich nie zu Hause zurecht finden werde. Ich bin schon das dritte Mal hier. Weil ich es dort nicht aushalte. Der Doc hat mich schon zusammen geflickt. Nichts schlimmes aber ich war wesentlich länger auf Krankenstation als normal. Wegen meiner Familie meinte er mal zu mir.
Maarten musste man sehr genau zu hören, hatte er an diesem Abend schon so einiges im Blut und das war kein Benzin!
In dem Gespräch mit ihm ging es auch um das Heranwachsen der Kinder ohne Vater, um Liebe im Allgemeinen, um den Job und seine Gefährlichkeiten und Schönheiten. Ich erfuhr, dass einerseits die Männer hier innerhalb der Armee eine Art Familie gefunden haben, die ihnen Halt und Orientierung gibt, andererseits sie sich aufgrund von Ereignissen nicht mehr in der Zivilisation zurecht finden können.
Schnell wird das Thema Posttraumatisches Belastungssyndrom angesprochen, doch es hätte keinen Zusammenhang mit dem, was auch Doc Mozart widerfährt. Die Diskussion war hochinteressant, denn die Männer in solchen Sondereinsatzkommandos werden innerhalb der Truppe hoch geachtet und von den Vorgesetzten stark gefördert.
Ich warf "solche Typen leiden alle an mangelndem Selbstbewusstsein" als Frage in die Runde. Dieses wurde aber von den Männern stark verneint. Sie hätten nur psychologische Fähigkeiten aufgrund ihres Handicaps, dass die Militärs nutzen würden.
Bernie wollte es nun genauer wissen, was Doc Mozart damit zu tun hätte.
Plötzlich stand Pierre hinter Maarten, der mit dem Rücken zum Raum sass. In Pierres Arme ruhte ein Gewehr. Er stand breitbeinig vor unserem Tisch, ja fast regungslos und er sah starr auf die Tischplatte. Hally lud ihn sofort ein sich zu setzen als er ihn bemerkte und sich undrehte. Mir wurde vor Freude schwindelig bei Pierres Anblick und ich wäre ihm am liebsten einfach um den Hals gefallen.
Plötzlich wurde alles anders! Von einer Sekunde auf die andere.
∞ Wir waren mitten drin!
- Fragmente von Tonaufzeichnungen meines Tonmannes. Direkt vor der Bar in der Strasse ging es los und der Kampf weitete sich in das Haus, in der die Bar untergebracht war, aus. -
Kurzaufzeichnung in meinem Tagebuch:
Wo fühlst du dich am wohlsten?
Oben!
Ich kann ihn heute besser verstehen als je zuvor.