Alarm im Lazarett I.
Alarm im Lazarett I.
Sein normaler Dienst, der nun nur noch ein Fünftel dessen betrug als vorher, begann an diesem Donnerstagfrüh recht merkwürdig. Doc Mozart's Dienstplan sah vor, dass nun ein zwölf Stunden Tag im OP-Saal vor ihm stehen würde. Als er den Gang hinunter ging kam er am Lagebesprechungszimmer vorbei. Am anderen Ende der Wand hing noch eine Landeskarte für die vorher statt gefundene Besprechung. Auf dieser Karte waren Striche, Quadrate und Zahlen aufgezeichnet.
- Eine Liste an der Wand verriet nichts Gutes -
Am unteren rechten Bildrand dieser Darstellung sind die einzelnen Nationen,
welche in Afghanistan stationiert waren, gelistet.
Es war "seine Region" in der er die letzten Wochen vermehrt aufgetreten ist, um der Bevölkerung die Hand reichen zu können. Doc Mozart machte sich noch keinen allzu grossen Kopf über das ebene Gesehene. Sicher war nur, dass der Jack-Daniel-Man mit draussen war und diese militärische Operation leitete. Doc Mozart entnahm diese Information von einer anderen Liste, die direkt neben der Landkarte hing.
Um die Mittagszeit herum bekam auch die Crew im Krankenhaus notgedrungen mit, dass die Kollegen draussen von ihrem Einsatzort aus Rettungshubschrauber angefordert hatten. Es seien mehrere Verletzte und auch Tote zu verzeichnen. Seit Tagesanbruch lagen die Jungs dort draussen im Dauerfeuer. Die bewaffnete Luftunterstützung der befreundeten Einheiten flogen Dauereinsatz um die Jungs am Boden unterstützen zu können.
Die Nervosität stieg in den Vorbereitungsräumen der einzelnen Operationssäle. Alles lag bereit. Dann endlich hörte das diensthabende Personal im Lazarett die Motoren der von ihnen langersehnten Helikopter aus der Luft immer näher kommen.
Rescue Flüge im Auslandseinsatz werden so durchgezogen, wie es die Allerobersten Colamänner wollen:
Rein ins Getümmel, alles einladen was geht und Abflug.
Dabei fliegen sie meist mit zwei Hubschrauber ins betroffene Gebiet, damit der eine Kollege in der Luft den evakuierenden Kollegen am Boden gegebenenfalls bleihaltige Absicherung anbieten kann.
Pierre nennt solches Vorgehen seit seinem ersten Einsatz, damals in Jugoslawien, Gulaschseinsammeln fliegen.
Zwar keine schöne Bezeichnung, doch eine sehr treffende.
Die vom Boden Eingesammelten werden in der Regel nur notdürftig oder gar nicht Erstversorgt. Erst im Quartier beginnen die gezielten Abläufe zum Erhalt eines Menschenlebens. Diese Methode gilt auch bei den Colamännern in Übersee in deren Zivilbereich. Bei jedem Autounfall - als Beispiel - wird der Verletzte eingeladen und ins Klinikum gefahren. Eine langwierige Vorortversorgung, wie es der Mitteleuropäer kennt, gilt hier genauso wenig wie in Übersee.
Ohne eine sanitätsdienstliche Versorgung des Personals ist ein militärischer Einsatz unmöglich.
Doc Mozarts schönsten Geschichten
Bei allem täglichen Elend, das in diesem Land zu sehen und erleben ist, gibt es auch Erfreuliches.
Doc Mozart half einmal bei einer etwas ungewöhnlicheren Geburt kurzerhand aus als er ein Dorf besuchte. Das kleine vierbeinige Wesen erblickte viel zu früh das Licht der Welt und obwohl es eine nicht ganz einfache Geburt war, überlebte die Kleine und ihre Mutter. Eine simple Klappbox und eine warme Decke aus seinem Fundus diente dem viel zu kleinem und schwachen Neugeborenen als Wärmespender.
Aber nur so lange, bis die Mutter sich von den Strapazen erholt hatte.
Pierre wurde von den Dörflern verwundert beäugt und es wurde unüberhörbar gekichert, als sie begriffen, dass er der kleinen Erdenbewohnerin sogar einen Namen gab.
Fudul - (grosse) Neugier(ige) nannte er sie, weil sie so gar nicht auf ihren normalen Geburtstermin warten wollte. Interessanter Weise musste Doc Mozart im Dorf bleiben, da sie ihm zu Ehren einen Bock schlachteten und das ungewöhnliche Ereignis der Geburt und ihm zum Fest machten.
Denn eine weibliche Ziege hat sehr viel Wert für eine Herde.
Einige Männer aus dem Dorf hatten Doc Mozart sogar beim gemeinsamen Essen gefragt, warum er einer Ziege einen Namen gab und ob er gebetet hätte, als er sie nach ihrer Geburt hoch in die Höhe hob, seine Augen schloss und Richtung Himmel sprach.
Es ergaben sich in dieser Nacht gute und tiefe Gespräche über die unterschiedlichen Glaubensrichtungen.
Das Gesprochene wurde mit Respekt und Achtung bewertet und ohne Vorurteile von allen in der Runde betrachtet. Die Menschen hier hatten eine völlig andere Diskussionskultur und gingen viel liebevoller miteinander um, als diejenigen Westeuropäer, die er kannte. Wobei das zu weit gegriffen ist für ihn.
Dieses Kennen im Sinne von Kennen.
Für ihn ist auf alle Fälle erkennbar, dass, wenn das Thema Glauben, Spiritualität im Allgemeinen, unter Menschen in Westeuropa aufkommt, es ohne Respekt, ohne Achtung untereinander, behandelt wird. Die persönliche Dekradierung von Gläubigen in solchen Diskussionen wird von Andersdenkenden sehr schnell vollzogen und der Glaubende zieht sich doch eher zurück, als dass er offenlegt, dass er sich Gott zugewandt fühlt und wie er darüber denkt.
Es sollte nicht das einzigste Gespräch dieser Art bleiben, das Pierre mit den Männern hier im Dorf haben wird.
Diese Geschichte erzählt Doc Mozart, weil er eine Anfrage über unser Formular erhielt, ob er auch "schöne Sachen" an seinem Einsatzort erlebte.
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