Teflonische Menschen
Teflonische Menschen
Ich gebe es gerne zu: ich esse leidenschaftlich gerne Pfannkuchen. Früher habe ich die Eierpfannenkuchen in einer grossen, schweren gusseisernen Pfanne, wie sie unsere Grosseltern hatten, ausgebacken.
Die Pfanne hat eine sagenhafte, gleichmässige Wärmeleitung und ist immer noch richtig „old school“.
Vor zwei Jahren ist mir eine Pfanne als Weihnachtsgeschenk ins Haus geflattert.
Zugegeben, anfangs war ich skeptisch.
Der gusseiserne Klassiker hat schliesslich schon satte fünfzehn treue Dienstjahre erfolgreich hinter sich gebracht.
Warum sollte ich also eine neue Pfanne in Betrieb nehmen?
Das neue Haushaltsgerät hat aber zwei attraktive Vorteile:
Zum einen passt sie wirklich haargenau auf die grosse Herdplatte unseres E-Herdes (im Gegensatz zur gusseisernen Pfanne, die rundum ungefähr drei Zentimeter Überstand hat)
und zum anderen stammte die Neue vom Hersteller Orrefors Jernverk, der für seine keramischen Antihaftbeschichtungen bekannt ist.
Mit der alten Pfanne gab es nämlich immer wieder Probleme mit den Pfannkuchen, zumindest bei meinen Kochvorgängen, denn die Eierkuchen sind immer wieder mal mehr, mal weniger hoffnungslos festgebacken.
Oft ist das geschehen, wenn der Teig von mir nicht einhundertprozentig richtig zubereitet wurde oder ich zu wenig Fett in die Gusseiserne gegeben hatte.
Die dadurch entstandene Sauerei war stets gross und konnte einem dann schon eimal die Lust auf die Pfannkuchen so richtig verderben - von der Schrubberei mal ganz abgesehen.
Das neue Stück aus dem Hause Orrefors Jernverk versprach Abhilfe.
Zögerlich gab ich der neuen Pfanne eine Chance und war direkt vollständig begeistert. Die nächste Generation Pfannkuchen war geboren. Der Clou an dem neuen Haushaltsgerät ist tatsächlich die Beschichtung.
Die bekannteste Pfannenbeschichtung dürfte die so genannte Teflonpfanne sein. Im Volksmund hält sich leider beharrlich die Behauptung, wir hätten sie der NASA und ihrem Apollo-Programm zu verdanken. Das stimmt nicht ganz, denn Teflonpfannen gibt es bereits seit 1954, also lange vor der bemannten Mondfahrt.
In Wirklichkeit war die Teflonbeschichtung bereits 1942 im Rahmen des amerikanischen militärischen Manhattan-Forschungsprojektes über die Nutzbarmachung von Kernspaltung in Form von Atombomben verwendet worden. Dort wurde es als Material für den Korrosionsschutz von Behältern eingesetzt.
Entdeckt worden ist das Teflon bereits im Jahre 1938 und die Entdeckung geschah eher aus Zufall.
Der Stoff, aus dem die Beschichtung besteht, heisst Polytetrafluorethylen (PTFE). Die Herstellerfirma DuPont hat zu Beginn der 50er Jahre den einfacheren Handelsnamen „Teflon“ erfunden.
Es stimmt übrigens schon, dass Teflon auch in der Raumfahrt für alle möglichen Isolierungen und Beschichtungen eingesetzt worden ist, aber das war eben bereits viele Jahre nach der Entdeckung und nach der Erfindung der antihaft-beschichteten Bratpfanne.
Die Haupteigenschaft von Teflon ist, dass an diesem Stoff praktisch nichts haften bleibt. Selbst aggressive Säuren können dem PTFE-Werkstoff nichts anhaben.
Und das brachte uns auf den Gedanken, dass der „Teflon-Effekt“ nicht nur bei Pfannen für meine heiss geliebten Eierkuchen, sondern offensichtlich zunehmend auch bei Menschen fest zu stellen ist.
Menschen der Neuzeit haben häufiger die Eigenschaft, dass ihnen alles, was sie nicht unmittelbar selbst betrifft, schlichtweg egal ist.
- Natur regelt Gesetzmässigkeiten
für ein friedvolles Zusammenleben ihrer Selbst.
Das Wasser in einem Fluss kann nicht auf die Bergspitze hinauf fliessen. -
Was sich um diese Menschen herum abspielt, und sie eigentlich im Rahmen eines gesunden empathischen Wahrnehmungs- und Reaktionsapparates berühren sollte, perlt einfach an ihnen ab.
Es ist, als wäre ihnen eine eingebaute Antihaft-Beschichtung zueigen.
Egal ob es sich um die wichtigen Probleme der menschlichen Population (nein, damit ist nicht das Klima gemeint) oder um aktuelle Tragödien bei Menschen oder Tieren geht -
es berührt diese Menschen einfach nicht und von ihnen aus wird beim Aufgreifen von aktuellen Themen nur gesagt:
Ist mir egal! Betrifft mich ja nicht!
Ist doch weit weg!
Die einzigen Fragen, die diesen neuen Typus Mensch ergreifen und bewegen, handeln sich um das, was sich um die Befriedigung ihrer aktuellen individuellen Bedürfnisse dreht, und seien diese in einem grösseren Kontext auch noch so unwichtig und unbedeutend.
Nach unseren Beobachtungen und Erfahrungen betrifft das Menschen, die ab den 70ern geboren sind, und die Tendenz nimmt von Geburtsjahrzehnt zu Geburtsjahrzehnt immer mehr zu.
Philosophisch mag das als eine extrem egozentrische Variante des individualistischen Utilitarismus eingeordnet werden. Rein menschlich ruft es bei uns eher einen ausgeprägten Würgereiz und tiefste Ablehnung hervor.
Beispiel aus der Praxis:
Als das Covid19 Virus im Umlauf geriet und die Staaten ihre Massnahmen langsam ergriffen, hatten wir mit dem Enkelsohn (17 Jahre) einer uns lieben Bekannten eine Debatte über dieses Ereignis. Zu diesem Zeitpunkt stand schon fest, dass das Virus nicht harmlos ist und die Medien verbreiteten zusätzlich, dass die Gefahr nur die Älteren, gesundheitlich Vorgeschädigten beträfe.
Der Kommentar des jungen Mannes:
Was wollt ihr eigentlich? Das betrifft mich alles nicht und ausserdem bei uns im Dorf kommt das eh nie an. Ich bin noch jung deshalb werde ich nicht krank und wenn Oma oder Opa dran sterben, was solls!
Ein guter Ansatz zur Einordnung dieses "Teflon"-Phänomens findet sich in der Bibel. In Matthäus Kapitel 24 Vers 12 finden wir, die Aussage:
„Und deswegen,
weil die Gesetzlosigkeit zur Fülle anwächst,
wird die Liebe der vielen erkalten.“
Der Vers stammt aus dem Kontext der sogenannten „Endzeitreden“. Schauen wir uns die Textstelle ganz genau an.
Der „Gesetzlosigkeit“ entspricht im heutigen Sprachgebrauch die „Anarchie“, also die Ablehnung jeder Art von Autorität.
Anarchie ist gegen alles Anfängliche und damit gegen alles Autoritätsinnehabende gerichtet.
Zugleich steht dem Begriff „Gesetzlosigkeit“ auch absolute Rechtlosigkeit und die Auflösung jeglicher Ordnung gegenüber.
Ein Zustand also, in dem Gewalt zum ausschliesslichen Mittel der Herrschaft geworden ist.
In der jüngeren Geschichte ist das als akzelerierender Prozess seit Beginn der 60er Jahre für alle deutlich sichtbar.
Einige Zitate aus Wikipedia mögen das exemplarisch untermauern:
„Die westdeutsche Studentenbewegung der 1960er Jahre war eine linksgerichtete gesellschaftskritische politische Bewegung in der Bundesrepublik Deutschland und West-Berlin. Sie entstand parallel zu anderen Studentenprotesten in den USA und Westeuropa, die als 68er-Bewegung zusammengefasst werden.
Sie strebte eine umfassende Demokratisierung der bundesdeutschen Gesellschaft als Beitrag zur Emanzipation aller Menschen von kapitalistischer Ausbeutung, Unterdrückung und Entfremdung mit antiautoritären Mitteln an und bezog sich dabei auf den Neomarxismus der Frankfurter Schule und Neuen Linken, die sich von den herkömmlichen Politikkonzepten der Sozialdemokratie und des Realsozialismus abgrenzten. Wesentliche Teilziele waren eine effektive ausserparlamentarische Opposition gegen die Große Koalition von 1966, der Kampf gegen deutsche Notstandsgesetze, den Vietnamkrieg, den Einfluss des Axel-Springer-Verlags, die „Entfaschisierung“ der Polizei nach der Erschiessung des Studenten Benno Ohnesorg bei der Demonstration am 2. Juni 1967 in West-Berlin, eine tiefgreifende Hochschul- und Bildungsreform. Übergreifende Ziele waren die sexuelle Selbstbestimmung und eine antiautoritäre Erziehung. Stärker als die verwandten Bewegungen anderer Staaten klärte die westdeutsche Studentenbewegung über die Zeit des Nationalsozialismus auf und forderte eine vollständige Entnazifizierung der deutschen Gesellschaft und einen konsequenten Antifaschismus. […]"
[…] Als 68er-Bewegung werden soziale Bewegungen der Neuen Linken zusammengefasst, die in den 1960er Jahren aktiv waren und in einigen Staaten im Jahr 1968 besonders hervortraten. […]
[…]Die 68er-Bewegung führte zu sozialen Veränderungen und bewirkte eine neue politische Kultur. Dazu gehörten die zunehmende Teilhabe von Minderheiten am öffentlichen Leben, sich verändernde Geschlechterrollen, sowie öffentliche Bekenntnisse zur Homosexualität. In Frankreich, Italien, der Bundesrepublik Deutschland und in den Vereinigten Staaten bildete sich eine außerparlamentarische Opposition.[…]“
Kurz gesagt: Eine Bewegung, die mit aller Kraft auf das Ziel der Gesetzlosigkeit, sprich Anarchie, hinarbeitet.
Das ist es auch, nebenbei bemerkt, was die treibende Kraft hinter den derzeitigen weltweit zu erlebenden Wellen von Protesten und Gewalt ist.
Die Menschheit scheint nun auf der Zielgeraden des „Highway to Hell“ angekommen.
Es ist diese Gesetzlosigkeit, d.h. die Beseitigung jeglicher Ordnung, welche die Liebe erkalten lässt.
Mir der Verankerung und dem Anknüpfungspunkt in der jüngeren Geschichte wäre auch die Frage geklärt, warum das Phänomen der "Teflon"-Menschen statistisch deutlich signifikant erst seit den 70er Jahren auftritt.
Diese Generation, sowie die weiter nachfolgenden Generationen in immer höherem Masse, wurde in die Zeit der beginnenden Anarchie hineingeboren, haben deren „neue Werte“ mit der Muttermilch aufgesogen und wurden in dieser neuen Zeitepoche sozialisiert.
Wenn die Liebe einmal erkaltet ist, dann entsteht Gleichgültigkeit.
Denn das Gegenteil von Liebe ist nicht etwa Hass.
Hass ist eine sehr spezielle und besondere Form einer Aufmerksamkeitsbeziehung, die darauf gerichtet ist, dem Gegenüber möglichst schlecht zu tun.
Im Falle des Hasses geschieht das aber ebenfalls aus einer tiefen Form einer, zugegebenermassen äusserst unguten, Beziehung heraus. Erst wenn die Beziehungskomponente aus der Gleichung genommen wird, weil der oder das Andere wie an der Beschichtung Teflon abperlt, kommt man beim wahren Gegenteil der Liebe an:
der Gleichgültigkeit.
Gleichgültigkeit ist das Endergebnis des Prozesses erkaltender Liebe. Liebe in Leichenstarre so zu sagen. Und Gleichgültigkeit, ist genau der Zustand, in dem sich "Teflon"-Menschen befinden.
Euer
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