Sehnsuchtsgedanken
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Sehnsuchtsgedanken
Seid Ihr alle fit? Ich denke, ich werde älter, denn ich denke über die Vergangenheit nach. Das ist doch so, wenn man älter wird, oder?
* und Rücken kommt auch beim Ältersein!
Draussen ist es zur Zeit Minus 30 Grad und die blätterlose Birke gegenüber von meinem Küchenfenster steht erfroren einfach so in der Landschaft.
Ich sitze auf dem Küchenstuhl, schaue dem Kleinen beim Krabbeln zu und denke vor mich her. Mir kommt meine eigene Kindheit in den Sinn. Wir waren schon ein tolles Gespann, wenn er daheim war.
Im Grunde lernte ich aus seiner Welt und er aus meiner Welt.
Klar, ich kann Holz hacken, doch so gut wie er werde ich bestimmt nicht. Er fällt einen Baum und kann ihn so spalten, dass er sich längs aufspaltet. Von unten nach oben. Dann braucht er nur noch die Axt nehmen und rundherum einzelne Stücke heraus hacken. Über dieses Konzept dachte er bestimmt jahrelang nach. Das alles auch noch ohne Kraftaufwand. Den Baumstamm mit vielen Spanngurten fixieren. Am unteren Ende des Stammes ein Kreuz mit der Axt einschlagen und an diese Enden Keile reinhauen.
Am nächsten Tag ist der Stamm aufgerissen.
* Männer!
Auch fischen kann ich. Wie oft sassen wir zusammen im Boot und schauten gemeinsam auf die Wasseroberfläche. Oh! Ich kann mich noch an meinen allerersten selbst gefangenen Fisch erinnern. So, als ob es gestern gewesen wäre. Ich gab ihm den Namen Leo. Ich heulte, als mein Fisch Leo leblos auf dem Teller lag.
Nie mehr wieder wollte ich Fisch essen.
* ich will keine Leos mehr essen! Nie mehr!
Oder als wir den argen Sturm hatten und ein Baum auf das Dach von meinem kleinen Mädchenhäuschen krachte. Paps hatte damals mir extra ein Häuschen gebaut.
Ganz alleine für mich!
In dieser besagten Nacht hatte der Baum mich unter sich begraben und er rettete mein Leben. Dachte ich damals wenigstens. Dass aber zwischen mir und der Decke mindestens seine halbe Körpergrösse passte, war mir vor lauter Schreck gar nicht bewusst. Das Häuschen hatte er so gebaut, dass es absolut stabil war. Ich will nicht wissen, wie viele Nägel er dazu verwendet hatte.
* wie gut können Väter nageln?
Meine erste Autofahrt schiesst mir jetzt in den Kopf.
Jau! Die Schelte vergesse ich nie in meinem Leben. Was hat Herr Vater getobt! Nicht weil sein liebstes Stück auf vier Rädern Schrott war, nein, weil ich ihm nicht vorher Bescheid gegeben habe, dass ich überhaupt fahren will.
Er war sauer, weil ich ihm nicht sagte, dass ich Auto fahre.
Komische Welt.
* Ich doch nicht! Ich niemals nie.
Auch schimpfte er, wenn ich mit den Kindern der Fehe spielte. Sie hatte sich in einem Frühjahr unsere Veranda ausgesucht um ihre Welpen zu gebähren. Sie kam irgendwann nicht mehr. Wahrscheinlich zu alt und gestorben. Wir vermuten aber stark, dass sich einer ihrer Töchter an diese Grube unter der Veranda erinnerte und jedes Jahr für ihre Geburten wieder her kommt.
Auch an die Eisblumengeschichten kann ich mich gut erinnern.
Die Winterzeit war immer schön. Wenn die Eisblumen von Tag zu Tag mehr an den Fensterscheiben gewachsen sind, ich in seinen Armen lag und er von Lexus erzählte. Lexus war ein einsamer alter Mann, der sich in eine Eisblume verliebte und Lexus war ganz traurig, als die Blume ohne Abschiedsgruss weg war. Deswegen hatte Lexus die Sonne nicht gemocht.
So eine dämlich Geschichte.
Sie ging unzählige Winter lang und bis heute weiss ich nicht, wie er all diese Teilabschnitte zusammen gebracht hatte. Mal erlegte Lexus einen Fuchs, der ihm die Äpfel aus der Kiste stehlen wollte, dann schloss Lexus wieder Freundschaft mit einem Uhu. Der brachte ihm Mäuse, damit sein uralter Kater etwas zu fressen hatte -
und noch so viele andere Abenteuer!
* Väter sind Kinderschrecks
Wenn du einer Eisblume am Fenster deine Wünsche erzählst und die Sonne die Blumen schmelzen lässt, dann nimmt sie deine Wünsche mit. Nur so können deine Wünsche in Erfüllung gehen.
Die Rechte für diese nette Schwindelei liegen bitte schön bei Paps!
Ich lag viele Winter in seinen Armen und schaute dem Rauch, der sich aus der oberen Öffnung der Kota schlich, nach. Bis ich eingeschlafen war. Morgens wachte ich neben ihm auf den Fellen auf. Er hatte schon den Ofen angemacht und als Frühstück gab es Renfleisch am Stock gebraten. Dazu Brot und Sylt.
* und heute muss Frau alles selbst machen
Hach ja...
...und doch war er viel zu oft nie daheim...
Schon alleine wegen diesen wunderbaren Erinnerungen wollte ich nie erwachsen werden. Aber das kam leider von alleine.
Was ich mich immer gefragt habe, warum er diesen Beruf hatte und warum er daran so hängt. Was fasziniert ihn daran? Was verschweigt er mir? Werde ich es je erfahren? Warum hat er nie wieder geheiratet? Warum gab es nicht einmal eine Frau an seiner Seite? Warum ist er nie zu der Frau hin, die in seinem Herzen ist - sie ist doch "frei!"? Was macht er mit all seinem Wissen und wo geht es hin, wenn er einmal nicht mehr... bäh!
Der Gedanke ist unmöglich.
Wo sind die Abende auf Rentierfell und Kaminfeuer?
Wo bleibt sein hervorragendes Essen?
Wo bleibt sein so vages und seltenes Lächeln?
Wo bleibt seine vertraute Hand?
< Bekannt?